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Zum Umgang mit Telegram

Wir erleben gerade in ganz Brandenburg und deutschlandweit eine Radikalisierung von Impfgegner*innen und Coronaleugner*innen. U.a. aufgrund einer zunehmend narzisstischen Gesellschaft, in der alles im Leben an den eigenen individuellen Interessen und Zielen ausgerichtet werden kann, waren viele nicht bereit, Einschränkungen aufgrund einer Pandemie hinzunehmen. Der Groll richtete sich nicht zuletzt gegen die Regierung, deren strukturelles Versagen in der Pandemie an vielen Stellen auch offenbar wurde. Um das Feuer der Regierungskritik am Brennen zu halten und wie in Cottbus zuletzt gesehen, auch ihrer Umsturzphantasien den Nährboden zu bereiten, werden fake news, Hass, Hetze aber auch Aufrufe zu Demonstrationen oft über den Messengerdienst Telegram verbreitet. Angeführt von Rechtsextremen und Parteien wie AfD und die Basis können dort hunderttausende Menschen erreicht werden. Telegram ist ein medium, über das ähnlich wie bei Whatsapp oder Signal Nachrichten verschickt werden, dabei aber in Gruppen so viele Menschen wie in Netzwerken wie Facebook oder Twitter erreicht werden. Telegram wurde vom russischen Unternehmer Pawel Durow erfunden für den Zweck, unzensierte und verschlüsselte Kommunikation, ohne staatliche Zugriffsmöglichkeiten zu bieten. Was für Regimekritiker*innen und Verfolgte in allen Ländern ein Segen, ist für Demokratien, die von Verfassungsfeinden gezielt destabilisiert werden sollen, ein Fluch. Telegram selbst und ihr Erfinder sind aufgrund des komplizierten Firmengeflechts und des Sitzes des Unternehmens in Dubai, für Bußgeldbescheide oder andere Versuche der Regulierung unerreichbar.

Nun hat die neue Innenministerin Faeser, Justizminister Buschmann und auch SPD und CDU in Brandenburg das Thema entdeckt und versuchen sich durch Forderungen nach einer Reglementierung handlungsfähig zu zeigen. Rechtliche Lücken gibt es jedoch kaum. Außer in der Umsetzung – denn eine Zustellung von Bußgeldbescheiden bei Verstößen gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz scheitert an Telegram selbst. Das das Gesetz auch auf Telegram anwendbar ist, hatte das Justizministerium bereits 2020 konstatiert. Auch das Strafrecht gilt in Telegram-Chats – wer dort droht, beleidigt und hetzt muss mit Ermittlungen rechnen. Die Idee der CDU und SPD in Brandenburg Telegram als „Rundfunk“ zu deklarieren und den Regelungen der Mediengesetze zu unterwerfen ist so abwegig, wie undurchsetzbar. Die Forderungen sind reiner Aktionismus und versperren den Blick auf tieferliegende gesellschaftliche Verwerfungen, die sich nicht erst seit 2015 zeigen und seit Jahren fortentwickeln.

Nicht die Technik oder fehlende rechtliche Möglichkeiten sind das Problem, denn auch schon in früher gab es (gerade in Anbetracht gesellschaftlicher Krisen) solche Entwicklungen, unabhängig der in der jeweiligen Epoche verfügbaren Kommunikationsmittel. Das Problem ist ein viel tieferliegendes. Seit Jahren werden Reden mit fake news in Parlamenten und auf Demonstrationen geschwungen, in „sozialen“ Netzwerken, an Stammtischen, in Familien verbreitet. Befördert m.E. auch von Medien wie der BILD und einer Politik, die sich selbst oft nur wenig in Frage stellt, Demokratie nicht fortentwickelt, sich in eingespielten Ritualen und Werbemaßnahmen verliert. Gerade in der Pandemie, fällt dies besonders auf. Zudem befördert die Krise Ängste und spielt denen in die Hände, die aus Verunsicherung Profit schlagen. Telegram ist nur Ausdruck des Problems. Wir müssen hier gründlicher analysieren und die Demokratie durch Fortentwicklung, mehr Transparenz und aktive Angebote zur Beteiligung schützen, und natürlich konsequent Hass und Hetze strafrechtlich verfolgen. Die Linke kann und muss hier durch eigene Ideen zu Bürgerbeteiligung, Transparenz, Machtbegrenzung und Umverteilung wichtige Akzente setzen.